Jagd auf Süchtige ist Selbstbeschäftigung

Diskussionsabend mit Frank Tempel erfolgreich!

[Bericht vom 04. Mai 2012]

Konstanz. Über 60 Interessierte waren der Einladung der Linksjugend['solid] Konstanz und des Studierendenverbands die Linke.SDS Konstanz gefolgt und nahmen am Donnerstag, dem 3. Mai, am Vortrags- und Diskussionsabend zur Drogenpolitik teil. Nach einer kurzen Einführung von Marco Radojevic zur Arbeit der Linksjugend['solid] in Konstanz und zur Arbeit von die Linke.SDS an der Universität, hielt Frank Tempel seinen ca. einstündigen Vortrag mit anschließender Diskussion.

Frank Tempel (MdB), drogenpolitischer Sprecher der Fraktion der Partei „die Linke.“ im Bundestag, plädiert für ein Umdenken in der Drogenpolitik und damit einhergehend für eine langfristige Legalisierung aller Drogen.

Tempel, der vor seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter Kriminaloberkommissar war, berichtet anschaulich seine Erfahrungen mit Drogenkriminalität, die er als Sozialarbeiter und später als stellvertretender Leiter einer mobilen Drogenfahndungsgruppe gewonnen hatte. Für alle Anwesenden nachvollziehbar, erklärte Tempel, wie er vom einfachen Befürworter einer Cannabisfreigabe zum Verfechter der Legalisierung aller Drogen wurde.

Verbraucher- und Gesundheitsschutz könne man nur gewährleisten, wenn der Staat auch Zugriff auf Produktion und Vertrieb der Drogen habe. Dies sei auf dem Schwarzmarkt nicht möglich.
Durch die Kriminalisierung des Konsums würden Abhängige illegaler Drogen oft viel zu lang auf ärztliche Hilfe und Therapie verzichten, da sie sich beim Arzt zunächst per se als „Kriminelle“ outen müssten. Dies erschwere oft eine wirksame Therapie, da die Betroffenen – im Gegensatz zu Alkohol oder Tabak – zu lange in der Gesellschaft und ihrem sozialen Umfeld unerkannt blieben.

Tempel führt aus, dass Prävention im Bereich der Drogen wesentlich effektiver sei als Repression. So wurden im Bereich des Tabakkonsums unter Jugendlichen durch Prävention große Fortschritte erzielt. Jagd auf Suchtkranke und Konsument_innen sei dagegen nur Selbstbeschäftigung, konstatiert der Polizist a.D.

Durch seine Fachkompetenz gelang es Frank Tempel, die – meistens auf Vorurteile gestützte – Angst vor einer Legalisierung aller Drogen zu nehmen. So räumte er mit der Befürchtung auf, Cannabis sei eine Einstiegsdroge: „Nur zwei bis sechs Prozent aller Cannabis-Konsument_innen steigen später auf harte Drogen um“, so Tempel.

Für kritikwürdig hält Tempel auch das Sonderstrafrecht für Cannabiskonsument_innen im Straßenverkehr. Er betonte ausdrücklich, dass niemand, der unter Drogeneinfluss steht, in den Straßenverkehr gehöre, jedoch sei die Ungleichbehandlung von Cannabis- und Alkoholkonsument_innen nicht nachvollziehbar. So kann Cannabiskonsum, der in keinem Zusammenhang mit dem Straßenvehrkehr steht, zum Entzug der Fahrerlaubnis führen, Alkoholkonsum jedoch nicht – etwa bis zu 1,6 Promille auf dem Fahrrad.

Nach diesem gut besuchten Vortrag und einer anregenden Diskussion, ist die linksjugend['solid] Konstanz davon überzeugt, dass ein Umdenken in der Drogenpolitik kein Thema esoterischer Dunstkreise mehr ist, sondern eines, das mitten in der Gesellschaft angekommen ist und dort auch zum Wohle der Abhängigen debattiert werden muss.

„Wir werden uns weiter für eine ‚Drogenpolitik mit Köpfchen‘ einsetzten, bei der Abhängigen geholfen wird, anstatt sie zu verfolgen. Nur durch eine Legalisierung, Prävention und Aufklärung kann ein verantwortungsvoller Umgang mit Drogen gewährleistet werden“, erklärte ['solid]-Mitglied Ryk Fechner.

von Marco Radojevic, Mitglied im Landessprecher_innenrat der linksjugend['solid] Baden-Württemberg

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