Rede von Frank Tempel zu Cannabis-Social-Clubs
[Bundestagsrede von Frank Tempel, drogenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. „Legalisierung von Cannabis durch Einführung von Cannabis-Clubs“ vom 27.10.2011]
Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit dem Antrag zur Einführung von Cannabis-Clubs möchten wir als LINKE dazu beitragen, dass die Kriminalisierung des Cannabis-Konsums beendet wird.
Zwar ist der Konsum nicht verboten, die Beschaffung und der Besitz hingegen schon.
Als Kriminaloberkommissar habe ich selbst in der Drogen-Strafverfolgung gearbeitet und ich bin zu dem Ergebniss gekommen, dass die bisherige Praxis der Strafverfolgung den Konsum von Cannabis nicht verringert, dafür aber die Konsumierenden kriminalisiert.
Die Bundesregierung verweist in ihrer Beantwortung von Kleinen Anfragen zu diesem Thema immer wieder darauf hin, dass die aktuelle Verbotspraxis dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung dienen soll. Ich bin hingegen zur Einschätzung gekommen, dass die aktuelle Verbotspraxis einen funktionierenden Gesundheitsschutz verhindert.
Während der Verbraucherschutz dafür Sorge trägt, dass in einer Flasche Bier auch nur das enthalten ist, was auf dem Etikett steht, werden 4 Millionen Cannabis-Konsumenten – von denen nur ein relativ kleiner Teil ein problematisches Konsumverhalten aufweist – der Gefahr ausgesetzt, durch Streckmittel schwere gesundheitliche Folgen zu erleiden. Das Wort Streckmittel klinkt erst einmal harmlos, ich möchte ihnen daher aufzählen, was bisher in Cannabis an Streckmitteln gefunden wurde: Brix (eine Mischung aus Zucker, Hormonen und flüssigem Kunststoff) , Sand, Talkum, Zucker, Haarspray, Glas, Gewürze, Blei, Phospor/Kaliumdünger sowie Schimmel. Wahrscheinlich gibt es noch andere Arten von Streckungen, aber das sind diejenigen, die vom Deutschen Hanfverband (DHV) dokumentiert wurden. Nach Informationen des DHV haben sich seit Mai 2009 fast 3.000 Konsumierende an den DHV gewendet, nachdem diese Streckmittel in Cannabis festgestellt hatten. Von Streckmitteln geht eine erheblich größere Gefahr für die Gesundheit der Konsumierenden aus als vom Cannabis-Konsum an sich. So müssen Betroffene einer Blei-Vergiftung teilweise noch jahrelang Medikamente zu sich nehmen, um das Blei, das sich in den Knochen festsetzt hat, abzubauen.
Wir müssen uns an dieser Stelle nichts vormachen: Durch die bestehende Illegalität helfen wir dem Dealern, riesige Gewinnen zu erzielen. Unter diesen gibt es natürlich auch Fälle, in denen versucht wird, mit der Beimischung von anderen Substanzen das Gewicht und damit den Preis der Ware zu manipulieren. Eine Legalisierung nach unserem Modell würde denen aber die komplette Handelsgrundlage entziehen.
1994 war der strafrechtliche Umgang mit Cannabis-Produkten Gegenstand eines Vorlagebeschlusses des Landgerichts Lübeck. Dort wurde die Strafverfolgung bei Besitz von geringen Mengen Cannabis als Eigenverbrauch als unverhältnismäßig beurteilt. Die Folge daraus war leider ein Flickenteppich von 16 verschiedenen gesetzlichen Regelungen in Deutschland, was die Strafverfolgung von Cannabis-Konsumierenden angeht. Während in Berlin ein Strafverfahren aufgrund des Besitzes von bis zu 15 Gramm Cannabis von der Staatsanwaltschaft eingestellt werden kann, ist das in Bayern nur bis 6 Gramm möglich. Dieser Unsinn muss dringend beendet werden. Wenn sie diesem Antrag schon nicht zustimmen, dann sorgen sie doch wenigstens für eine einheitliche Rechtspraxis, in dem sie eine geringe Menge im Betäubungsmittelgesetz festlegen!
Mittlerweile hat sich die Verfolgung von Cannabiskonsumierenden vom Strafrecht auf das Straßenverkehrsrecht verlagert. Deshalb benötigen wir endlich einen wissenschaftlich fundierten Grenzwert von Cannabis-Leitsubstanzen, der die tatsächliche Beeinflussung der Fahrtüchtigkeit widerspiegelt. Klar ist, ein Verkehrsteilnehmender unter Cannabis-Einfluss muss rechtlich sanktioniert werden. Aber es ist nicht nachvollziehbar, warum bei gelegentlichen Cannabis-Konsum der Führerschein entzogen werden kann, wenn Spuren von Cannabis-Konsum im Blut nachweisbar sind, obwohl eine Rauschwirkung zum Zeitpunkt der Kontrolle längst nicht mehr vorliegt.
Mit unserem Vorschlag zur Einführung von Cannabis-Clubs wollen wir zudem auf ein Modell zurückgreifen, zu dem es in der Europäischen Union bereits gute Erfahrung gibt. In Spanien wurden die Cannabis Social Clubs im Jahr 2005 ermöglicht.
Der Cannabis-Anbau in diesen Clubs unterliegt Qualitätskontrollen. Das angebaute Cannabis dient zudem nur dem Eigenverbrauch und darf nicht verkauft werden. Damit haben wir den Handel mit Cannabis verhindert und ermöglichen gleichzeitig, dass sich interessierte Konsumentinnen und Konsumenten zusammenfinden können, um gemeinsam Cannabis anzubauen und Erfahrungen auszutauschen. Werbung dafür bleibt verboten, so wie es im Übrigen auch ein generelles Werbeverbot für andere legale Drogen (Alkohol, Nikotin) geben sollte. Denn eine liberale Drogenpolitik besteht aus progressiven, aber auch repressiven Instrumenten.
Ein weiterer wichtiger Punkt, der mit Einführung von Cannabis-Clubs Unterstützung finden würde, ist die Prävention vor Drogenmissbrauch. Um so stärker sich offen mit Drogen auseinandergesetzt wird und die jeweiligen Gefahren und Wirkungsweisen verstanden werden, um so erfolgreicher funktioniert die Prävention. So hat beispielsweise die Liberalisierung der Drogenpolitik in Portugal gezeigt, dass dadurch nicht mehr Drogen konsumiert wurden, dafür aber der Missbrauch und damit auch die Zahl der Abhängigen zurückgegangen ist.
Sehr geehrte Damen und Herren,
nutzen Sie diese Gelegenheit und diskutieren Sie mit uns über neue Wege in der Drogenpolitik. Ich freue mich auf die Diskussionen dazu im Ausschuss und hoffe, dass wir die Debatte darüber sachlich führen können.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit dem Antrag zur Einführung von Cannabis-Clubs möchten wir als LINKE dazu beitragen, dass die Kriminalisierung des Cannabis-Konsums beendet wird.
Zwar ist der Konsum nicht verboten, die Beschaffung und der Besitz hingegen schon.
Als Kriminaloberkommissar habe ich selbst in der Drogen-Strafverfolgung gearbeitet und ich bin zu dem Ergebniss gekommen, dass die bisherige Praxis der Strafverfolgung den Konsum von Cannabis nicht verringert, dafür aber die Konsumierenden kriminalisiert.
Die Bundesregierung verweist in ihrer Beantwortung von Kleinen Anfragen zu diesem Thema immer wieder darauf hin, dass die aktuelle Verbotspraxis dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung dienen soll. Ich bin hingegen zur Einschätzung gekommen, dass die aktuelle Verbotspraxis einen funktionierenden Gesundheitsschutz verhindert.
Während der Verbraucherschutz dafür Sorge trägt, dass in einer Flasche Bier auch nur das enthalten ist, was auf dem Etikett steht, werden 4 Millionen Cannabis-Konsumenten – von denen nur ein relativ kleiner Teil ein problematisches Konsumverhalten aufweist – der Gefahr ausgesetzt, durch Streckmittel schwere gesundheitliche Folgen zu erleiden. Das Wort Streckmittel klinkt erst einmal harmlos, ich möchte ihnen daher aufzählen, was bisher in Cannabis an Streckmitteln gefunden wurde: Brix (eine Mischung aus Zucker, Hormonen und flüssigem Kunststoff) , Sand, Talkum, Zucker, Haarspray, Glas, Gewürze, Blei, Phospor/Kaliumdünger sowie Schimmel. Wahrscheinlich gibt es noch andere Arten von Streckungen, aber das sind diejenigen, die vom Deutschen Hanfverband (DHV) dokumentiert wurden. Nach Informationen des DHV haben sich seit Mai 2009 fast 3.000 Konsumierende an den DHV gewendet, nachdem diese Streckmittel in Cannabis festgestellt hatten. Von Streckmitteln geht eine erheblich größere Gefahr für die Gesundheit der Konsumierenden aus als vom Cannabis-Konsum an sich. So müssen Betroffene einer Blei-Vergiftung teilweise noch jahrelang Medikamente zu sich nehmen, um das Blei, das sich in den Knochen festsetzt hat, abzubauen.
Wir müssen uns an dieser Stelle nichts vormachen: Durch die bestehende Illegalität helfen wir dem Dealern, riesige Gewinnen zu erzielen. Unter diesen gibt es natürlich auch Fälle, in denen versucht wird, mit der Beimischung von anderen Substanzen das Gewicht und damit den Preis der Ware zu manipulieren. Eine Legalisierung nach unserem Modell würde denen aber die komplette Handelsgrundlage entziehen.
1994 war der strafrechtliche Umgang mit Cannabis-Produkten Gegenstand eines Vorlagebeschlusses des Landgerichts Lübeck. Dort wurde die Strafverfolgung bei Besitz von geringen Mengen Cannabis als Eigenverbrauch als unverhältnismäßig beurteilt. Die Folge daraus war leider ein Flickenteppich von 16 verschiedenen gesetzlichen Regelungen in Deutschland, was die Strafverfolgung von Cannabis-Konsumierenden angeht. Während in Berlin ein Strafverfahren aufgrund des Besitzes von bis zu 15 Gramm Cannabis von der Staatsanwaltschaft eingestellt werden kann, ist das in Bayern nur bis 6 Gramm möglich. Dieser Unsinn muss dringend beendet werden. Wenn sie diesem Antrag schon nicht zustimmen, dann sorgen sie doch wenigstens für eine einheitliche Rechtspraxis, in dem sie eine geringe Menge im Betäubungsmittelgesetz festlegen!
Mittlerweile hat sich die Verfolgung von Cannabiskonsumierenden vom Strafrecht auf das Straßenverkehrsrecht verlagert. Deshalb benötigen wir endlich einen wissenschaftlich fundierten Grenzwert von Cannabis-Leitsubstanzen, der die tatsächliche Beeinflussung der Fahrtüchtigkeit widerspiegelt. Klar ist, ein Verkehrsteilnehmender unter Cannabis-Einfluss muss rechtlich sanktioniert werden. Aber es ist nicht nachvollziehbar, warum bei gelegentlichen Cannabis-Konsum der Führerschein entzogen werden kann, wenn Spuren von Cannabis-Konsum im Blut nachweisbar sind, obwohl eine Rauschwirkung zum Zeitpunkt der Kontrolle längst nicht mehr vorliegt.
Mit unserem Vorschlag zur Einführung von Cannabis-Clubs wollen wir zudem auf ein Modell zurückgreifen, zu dem es in der Europäischen Union bereits gute Erfahrung gibt. In Spanien wurden die Cannabis Social Clubs im Jahr 2005 ermöglicht.
Der Cannabis-Anbau in diesen Clubs unterliegt Qualitätskontrollen. Das angebaute Cannabis dient zudem nur dem Eigenverbrauch und darf nicht verkauft werden. Damit haben wir den Handel mit Cannabis verhindert und ermöglichen gleichzeitig, dass sich interessierte Konsumentinnen und Konsumenten zusammenfinden können, um gemeinsam Cannabis anzubauen und Erfahrungen auszutauschen. Werbung dafür bleibt verboten, so wie es im Übrigen auch ein generelles Werbeverbot für andere legale Drogen (Alkohol, Nikotin) geben sollte. Denn eine liberale Drogenpolitik besteht aus progressiven, aber auch repressiven Instrumenten.
Ein weiterer wichtiger Punkt, der mit Einführung von Cannabis-Clubs Unterstützung finden würde, ist die Prävention vor Drogenmissbrauch. Um so stärker sich offen mit Drogen auseinandergesetzt wird und die jeweiligen Gefahren und Wirkungsweisen verstanden werden, um so erfolgreicher funktioniert die Prävention. So hat beispielsweise die Liberalisierung der Drogenpolitik in Portugal gezeigt, dass dadurch nicht mehr Drogen konsumiert wurden, dafür aber der Missbrauch und damit auch die Zahl der Abhängigen zurückgegangen ist.
Sehr geehrte Damen und Herren,
nutzen Sie diese Gelegenheit und diskutieren Sie mit uns über neue Wege in der Drogenpolitik. Ich freue mich auf die Diskussionen dazu im Ausschuss und hoffe, dass wir die Debatte darüber sachlich führen können.
Vielen Dank.
darkrond - 27. Okt, 12:22
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