Der unterschiedliche Umgang mit Kiffern

[Frankfurter Rundschau vom 10. März 2006]

In den Bundesländern gibt es eine große Bandbreite bei der Bestrafung von Cannabis-Besitz

von Frauke Hass

Ob ein Kiffer, der sich mit Cannabis in der Tasche erwischen lässt, angeklagt wird oder nicht, hängt unter anderem davon ab, wo in Deutschland er sich gerade befindet. Das ist das Ergebnis einer im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums vom Freiburger Max-Planck-Institut für Strafrecht erstellten Studie. Wird der Haschischraucher in Bayern oder Sachsen von der Polizei kontrolliert, ist seine Lage weit schlechter als etwa in Berlin, Hessen oder Schleswig-Holstein: Der Studie zufolge werden in Bayern und Sachsen 40 bis 60 Prozent der staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren bei Cannabisdelikten eingestellt, in den anderen genannten Ländern 80 bis 90 Prozent.

Wie viel ist eine geringe Menge?

Wesentlich ist auch wie viel der Konsument bei sich hat. Laut Betäubungsmittelgesetz kann die Staatsanwaltschaft auf Verfolgung verzichten, wenn es lediglich um wenig Cannabis "zum Eigenverbrauch" geht. Wie viel das ist, darüber sind sich die Länder nicht einig. Die Höchstgrenzen bis zu denen das Verfahren eingestellt werden kann, schwanken zwischen drei "Konsumeinheiten" in Baden-Württemberg, sechs Gramm in Bayern, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie bis zu 30 Gramm in Schleswig-Holstein.

In den Ländern mit einer liberaleren Praxis werden nahezu alle Verfahren mit einer Menge von bis zu sechs Gramm Cannabis eingestellt - in Hessen 94,2 Prozent, in Schleswig-Holstein 95,6 und in Berlin 98,7 Prozent. Im konservativen Bayern waren das dagegen nur 56,9 Prozent der Verfahren. Regelmäßig wirken sich nämlich laut Studie Vorbelastungen des Täters in Bayern und Sachsen auf die Entscheidung aus. So hätten in diesen beiden Ländern fast ausschließlich Ersttäter die Aussicht, nicht angeklagt zu werden.

Ziel der von Carsten Schäfer und Letizia Paoli verfassten Studie war es unter anderem, herauszufinden, ob es eine einheitliche Rechtspraxis gibt. Das hatte das Bundesverfassungsgerichts in seiner "Cannabis-Entscheidung" von 1994 gefordert. Der Zweite Senat urteilte damals, dass Cannabis-Besitz in geringen Mengen zum gelegentlichen Eigenkonsum strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden solle, solange niemand anderes gefährdet werde. Die Max-Planck-Mitarbeiter werteten für die Untersuchung die Akten von rund 2000 Konsumentenverfahren in sechs Bundesländern aus.

Ergebnis: "Die gegenwärtige Rechtswirklichkeit erscheint problematisch." Schon bei der kleinen Menge von bis zu sechs Gramm könne von einer gleichmäßigen Rechtspraxis nur in einer "Idealkonstellation" ausgegangen werden, die allerdings nur auf knapp 20 Prozent der Stichprobenverfahren zutreffe. Danach ist der Täter 20, strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten und hat niemanden anderen gefährdet.

Die Studie formuliert in ihren Schlussfolgerungen vage: "Die Beurteilung, ob diese Unterschiede als ,erheblich' anzusehen sind, obliegt dem Gesetzgeber oder dem Bundesverfassungsgericht."

Das Gesundheitsministerium sieht offenbar durchaus gewaltige Unterschiede. So hat es Paoli zufolge aufgrund der Ergebnisse der Studie die Länder in einem Schreiben zur Teilnahme an einer Arbeitsgruppe aufgefordert, die eine einheitliche Rechtspraxis festlegen soll. Lobbyvertreter der Cannabis-Raucher fürchten, dass sich in diesem Fall das strengere Vorgehen durchsetzen wird. Gibt es keine Einigung der Länder, könnte der Gesetzgeber es für notwendig halten, das Betäubungsmittelgesetz zu novellieren, glaubt Letizia Paoli. Dabei
bewirkte das Gesetz laut Studie immerhin in einem Punkt einheitliche Ergebnisse: "Das gesetzgeberische Ziel einer Entlastung der Strafverfolgungsbehörden scheint erreicht."

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