Drogen verbieten tötet. *

[Pressemitteilung vom 17.09.2005]

von Jule Nagel, jugendpolitische Sprecherin der Linkspartei.PDS Sachsen:

Drogenpolitik ist ein im Wahlkampf unterbelichtetes Thema, wie andere die Lebenswelten von Menschen betreffende auch.

(*Drug Scouts – Transpi-Spruch)

Im aufgeblähten Wahlkampfdiskurs dreht sich alles um Arbeit, Arbeit als Lebensinhalt, Arbeit als ökonomische Grundlage der Vergesellschaftung. Arbeit. Arbeit. Arbeit. Wird bei der Linkspartei.PDS Erwerbsarbeit im Zusammenhang mit Menschenwürde gedacht und dem Umstand des Verschwindens der Erwerbsarbeit mit der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich Rechnung getragen, setzen die anderen relevanten Parteien auf Arbeitspopulismus – auf die Spitze trieb das wohl die konservative Kanzlerkandidatin Angela Merkel mit ihrem Spruch: Sozial ist was Arbeit schafft. Die APPD glänzt in diesem Diskurs mit dem etwas platten Spruch „Arbeit ist scheiße“.

Nun soll dies kein Kommentar über das Wahlkampfhauptthema Arbeit werden, sondern über die ungeplant in Szene gesetzte Drogenpolitik.

Drogenpolitik ist ein im Wahlkampf unterbelichtetes Thema, wie viele andere die Lebenswelten von Menschen betreffende auch.

Dem sollte unsere „Schöner leben mit Drogen“-Tour Rechung tragen, denn besonders junge Menschen sind mit diesem Thema konfrontiert. Wenn der jugendpolitische Sprecher der sächsischen CDU-Landtags-Fraktion Alexander Krauß schreibt „Junge Sachsen brauchen nicht Heroin und Haschisch, sondern Ausbildung und Arbeit“, dann weißt er damit auf das armselige Gesellschaftsbild der Konservativen hin, in dessen Sinn das Leben nur aus Arbeit bestehen sollte. Dass dies Unsinn ist, wüsste er, wenn er Lebenswelten (junger) Menschen kennen würde und sich selbst etwas besser reflektieren könnte.

Die Forderung nach einem selbstbestimmten Leben, die in diesem Fall im Thema Drogen/ Sucht Ausdruck finden sollte, offeriert eine Vision gegen den grauen Mainstream. Unsere grundsätzliche inhaltliche Linie, nämlich Freiheit plus Gemeinschaftlichkeit (also keine radikalliberale Freiheit) tangiert jeden Gesellschaftsbereich, vor allem auch die viel beschworene Erwerbsarbeit-Sphäre. Mögen manche uns weltfremde Spinner nennen – doch gerade positive Visionen können Motivation zur gesellschaftlichen Opposition anregen.

Doch nun hinein in den drogenpolitischen Diskurs:
Eine Forderung nach Legalisierung aller Drogen will zuallererst die absurde Kategorisierung von Drogen in legale (weiche) und illegale (harte) aufbrechen. Das immer wieder zu bemühende Beispiel Cannabis als erwiesenermaßen weiche, d.h physisch nicht schädlicher Naturstoff verwirrt diese Kategorien, genau wie der Verweis auf die Toxizität (Giftigkeit) des legalen Alkohols.
100.000 Menschen sterben laut jährlich an den Folgen des Nikotin-Konsums und 24.000 infolge des Alkoholkonsums.
Eine mögliche Schlussfolgerung aus letztgenannten Zahlen könnte eine Forderung nach der Illegalisierung eben jener Stoffe nach sich ziehen. Dies widerspricht aber einerseits dem kulturellen Status quo unserer Gesellschaft, wie dem wirtschaftlichen Interesse am Absatz von Alkohol und Nikotin (z.B. Tabak-, Alko-Pop-Steuer) – am wichtigsten aber – dies würde der libertären Gesellschaftsvision, wie wir sie vertreten, entgegenlaufen.

Wichtige Argumente, die im Wirbel um die skandalisierend wiedergegebene Forderung nach Legalisierung aller Drogen zwar gesagt, aber medial nicht aufgenommen wurden seien im Folgenden aufgeführt:

Wir haben nicht zum Mißbrauch oder exzessivem Drogengenuss aufgerufen. Das muss jede und jeder schon für sich selbst entscheiden.

Uns geht es um einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik - weg vom repressiven hin zum akzeptierenden Ansatz. Das bedeutet zum einen, dass es um Entkriminalisierung des UserInnen und des Drogenkonsums an sich geht. Die Legalisierung der Stoffe würde dies nach sich ziehen. Stoffe könnten auf Qualität geprüft und in eigens geschaffenen Fachgeschäften abgegeben bzw. zu akzeptablen und nicht vollkommen überhöhten Preisen verkauft, Beschaffungskriminalität und das Elend vieler KonsumentInnen minimiert werden. Ihnen wäre ein würdiges Leben – mit oder ohne Sucht - garantiert. Dabei sprechen wir noch gar nicht darüber, dass beispielsweise Alkohol den Körper viel mehr schädigt als reines Heroin und KosumentInnen von reinem Heroin „genau so arbeitsfähig sind, wie RaucherInnen“.

Wichtig und integral mit einer möglichen Freigabe illegalisierter Stoffe verknüpft, ist die objektive Aufklärung über Substanzen und ihre Wirkungen, schon ab dem Kindesalter („Rauschkunde im Kindergarten“)! Es geht darum den Menschen stark zu machen ja oder nein zum Drogenkonsum zu sagen. Eine solche Aufklärungsarbeit praktizieren die von uns sehr geschätzten und bundesweit bekannten Drug Scouts aus Leipzig (www.drugscouts.de).
In der Realität betreibt z.B. der Staat manipulative „Aufklärungs“arbeit, indem er Stoffe verteufelt und deren Konsum restriktiv untersagt („Vom Joint zur Spritze“), auf der anderen Seite aber die monetär motivierte Bewerbung von Alkohol oder Nikotin zulässt bzw. davon selbst profitiert.

Die den Trubel um die Drogentour der Linkspartei.PDS-Jugend Sachsen verursachte Pressemitteilung wurde in allerlei Medien vor allem mit folgendem Satz zitiert:
„Die drogenpolitischen Forderungen der Linkspartei.PDS-Jugend Sachsen reduzieren sich aber keineswegs auf die Cannabislegalisierung. Um die Legalisierung aller Drogen und die wichtigen Bedingungen unter denen diese geschehen soll, nämlich umfassende und objektive Aufklärung über Vor- und Nachteile oder aber Qualitätskontrollen der jeweiligen Substanzen, geht es im Rahmen der „Schöner leben mit Drogen“-Tour. Wir denken, dass jede und jeder für den Konsum von Drogen kompetent gemacht werden sollte und dass die Entscheidung zum oder gegen den Konsum nicht durch Staat oder Wirtschaft reguliert, sondern in die Hände eines jeden selbst gelegt werden muss.“

Dazu sei anzumerken: die Forderung nach einem „Raushalten des Staates“ aus dem individuellen Entscheidungsprozess für oder gegen den Konsum von Drogen entspringt nicht einer neoliberalen Eigenverantwortungslogik. Es geht vielmehr darum, dass der Staat Rahmenbedingungen schafft, die ermöglichen, dass informierte BürgerInnen informiert handeln können, z.B. durch finanzielle Unterstützung von drogenpolitischen Initiativen, die eben jene Aufklärungsarbeit betreiben. Auch Hilfen im Falle des Drogenmissbrauches sind natürlich nötig, allerdings nicht im Sinne des Paradigmas einer drogenfreien Gesellschaft – Sucht(stoffe) gehören integral zu unserer Gesellschaft.

Schlussendlich sei gesagt, dass wir nicht für eine ad-hoc Freigabe aller Drogen sind. Dies kann nur ein Prozess sein, wie wir ihn mit der Drogentour befördern wollten.
Drogenkonsumräume oder Drug-Checking-Modelle (die Möglichkeit Substanzen auf Zusammensetzung/ Qualität prüfen zu lassen) sind existierende Möglichkeiten die Lebensbedingungen von DrogenuserInnen zu verbessern und möglicherweise die gesellschaftliche Ächtung jener anzugraben. Drug-Checking, das muss angemerkt werden, ist in Deutschland nicht erlaubt, das seit 2000 per Bundesgesetz legalisierte Betreiben von Drogenkonsumräumen („Fixerstuben“) z.B. in Berlin maßgeblich durch die PDS ermöglicht worden.

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