Die Linke redete über das "Recht auf Rausch"

[Rhein-Neckar-Zeitung vom 16. Februar 2011]

Abgeordneter Tempel für humanen Umgang mit Drogenkriminalität - "Verbraucherschutz größeres Problem aus die Droge selbst"


Schriesheim. (bec) "Recht auf Rausch": So war die Podiumsdiskussion der Partei Die Linke mit ihrem Bundestagsabgeordneten Frank Tempel angekündigt worden. Tatsächlich ging es um dessen Vorstellung über "einen humanen Umgang mit Drogen und Drogenkriminalität", wie es Landtagskandidat Matthias Hördt formulierte, der den Parlamentarier in der Tischrunde begrüßte.

"Ich habe den Traum von einer Welt, in der berauschende Mittel eine sehr geringe Rolle spielen", klärte der Abgeordnete aus Ost-Thüringen zu Beginn seinen Standpunkt. Er sitzt im Bundesinnenausschuss und ist drogenpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Bevor er in den Bundestag einzog, sammelte er als Kriminaloberkommissar in mehrjähriger Praxis Erfahrungen im Bereich der Rauschgiftkriminalität. Als Linker will er für gesundes, selbstbewusstes Leben werben; hält es aber für eine Illusion, eine rqauschgiftfreie Welt zu schaffen.

Es gebe immer mehr Expertenmeinungen, die deutlich anzweifelten, dass Konsum und Missbrauch eingeschränkt würden durch die Repression - also die staatliche Unterdrückung und Verfolgung. Diese verhindere zudem eine faire Aufklärung. Der fehlende Verbraucherschutz sei ein größeres Problem als die Droge selbst, dazu komme die Verunreinigung der illegalen Drogen. "Siebzigtausend Alkoholtote jährlich, das ist ein Problem, und zwar ein gewaltiges!", bilanzierte Carsten Labudda, der zweite Experte des Abends. Er ist Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Drogenpolitik der Linken. Keinen einzigen Toten habe es dagegen bei Cannabis gegeben.

Er wies darauf hin, dass der Alkoholkonsum stark in unserer Gesellschaft verwurzelt sei und konnte auf einschlägige Studien zu illegalen Drogen zurückgreifen: Danach hätten Verbote keinen Einfluss auf den Konsum, "weil ein Bedarf da ist - der schafft sich einen Markt." Er bemängelte, dass es keine Unterscheidung gebe zwischen Gebrauch und Missbrauch. Als "human" sah er an, dass junge Menschen aus dem Wissen und aus sich selbst heraus eine mündige Entscheidung herbeiführten.

"Der wichtigste Ansatz ist eine realistische Aufklärung", bestätigte ein Anwesender, der sich als Betroffener outete und mehrere Inhaftierungen hinter sich hat. Er sah fehlende Information in der Schule und fehlende Prävention am Beginn seiner Drogenkarriere.

Frank Tempels Meinung nach ist die Repression gescheitert. "Verbote sind völlig wirkungslos", es gehe um eine "Entkriminalisierung". "Wenn etwas auf dem Markt ist, dann muss es geprüft werden."

Des Weiteren plädierte er für eine kontrollierte Abgabe durch den Staat. Bei Cannabis sah er eine Möglichkeit, sehr bald Veränderungen herbeizuführen, nannte den medizinischen Bereich und sprach von Eigenanbau. Psychosoziale Betreuung sah er als unabdingbar an, dazu Prävention, finanziert mit den Geldern, die jährlich in die Repression gesteckt würden. Wenn man das vernünftig mache, müsse es zu keinem Anstieg des Konsums kommen.

Der Gesichtspunkt Fahrtüchtigkeit und Drogen kam mehrfach zur Sprache. "Wir wollen über das Recht auf Rausch reden", meinte der Parlamentarier. "Da geht es um meinen eigenen Körper." Auch aus seinen Erfahrungen als Polizist heraus wandte er sich strikt gegen jede Toleranz beim Fahren: "Im Straßenverkehr habe ich eine Verantwortung für andere."

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